Kategorie: Damwild

  • Im Auge des Hirsches – Der schwarze Damhirsch im Wald

    Im Auge des Hirsches – Der schwarze Damhirsch im Wald

    Es ist ein vielversprechender Samstag Morgen im November, ich habe an einem schönen Waldstück mein Quartier bezogen. Genauer gesagt, ich habe meinen Stuhl ins hohe Gras gestellt, etwas versetzt in einer Kuhle. Darüber meinen Tarnumhang und fest in der Hand, meine Thermoskanne mit Kaffee. Die Temperaturen sind nahe dem Gefrierpunkt.

    Das ist eine gute Stelle! Ich bin mir sicher, an diesem Tag einem Tier zu begegnen. Wie komme ich darauf? Meine Theorie wird meist nur durch ein Bauchgefühl gestützt oder wenn ich an einem anderen Tag, meist beim Vorbeispazieren, dort zufällig ein Tier gesehen habe. Natürlich tausche ich mich auch mit befreundeten Fotograf*innen aus.

    Wenn ich früh morgens ansitze, vereinfacht gesagt also da sitze und in die Ferne starre, dann ist der Wunsch, einem Tier begegnen zu wollen eigentlich falsch. Denn im besten Fall nimmt kein Tier jemals Notiz von mir.

    Ein falscher Tritt, das Knacken eines Astes oder das Rascheln der Blätter genügt oft schon und alle Tiere im näheren Umkreis treten den Rückzug an und für mich hiesse es, dass es Zeit für die Heimreise wird. Ein kurzer Spaß. Aber so egoistische Gründe sollen es eigentlich gar nicht sein. Ich will einfach meine Fußabdrücke so klein wie möglich hinterlassen.

    Ein Damhirsch an Rande einer Waldlichtung.

    Also heißt es leise sein und sich auch so zu verhalten, egal ob verbal oder durch Bewegungen. Dazu muss ich natürlich noch den Wind zu beachten, denn „falsch“ positioniert kann ich noch so lange warten und kein Tier wird sich je blicken lassen. Genug der Vorbereitung. Das klingt jetzt alles ziemlich langweilig oder? Eher schon anstrengend. Aber nein, das ist es nicht. Es sind nur einfache Grundregeln, die jede(r) Fotograf*in beherzigt. An anderer Stelle schrieb ich es ja schon einmal, diese Eigenschaften trauen uns manche Jäger*innen leider gar nicht zu.

    Je öfter ich der Fotoleidenschaft nachgehe, desto sicherer werde ich mir bei meinem Verhalten, ja schon fast manchmal leichtsinnig. Die genannten Grundregeln sind wichtig, aber gleichzeitig muss ich sagen, dass ich es auch nicht immer schaffe, nur ruhig zu sein. Ich krame schon ab und an in meiner Tasche. Nicht selten passiert es dann, dass ich mir nichts groß denke, nach oben Blicke und vor mir steht ein Wildtier wie Reh oder Hirsch. Es ist für mich nach wie vor unglaublich, wie fast lautlos sich diese Tiere fortbewegen. Ein kleinwenig war es auch so an diesem besagten Samstag Morgen im November.

    Ich saß also schon eine Stunde im Gras, mir wurde langweilig und dank Handyempfang lenkte mich mein Smartphone dann doch etwas zu sehr ab. Nicht lange, vielleicht ein paar Sekunden. Aber das reichte schon. 50 Meter vor mir huschte etwas vorbei. Ein Damhirsch. In vielen Fällen passiert jetzt das, was eigentlich nie passieren sollte. Es ist schon fast ein Klassiker. Ich drücke die falschen Knöpfe. Wie viele Fotograf*innen bediene ich meine Kamera ausschließlich manuell, bei schlechten Lichtverhältnissen ist das besonders wichtig. Aber da ich meine Kamera auch für andere Zwecke nutze, haben je nach Einstellung meine frei konfigurierbaren Tasten unterschiedliche Ziele.

    Vor allem mit Handschuhen springe ich ungewollt dann genau dahin, wo ich die Einstellung überhaupt nicht brauche. Aber das nur so am Rande. Die Probleme lösen sich mittlerweile in Sekundenbruchteilen und ich weiß, welche Verschlusszeit, Blende oder ISO-Wert ich wann und wo brauche. Der Hirsch huschte also über die vor mir liegende Wiese, vielleicht 50 Meter entfernt von mir. Auf einmal war er weg. Gut, dachte ich mir. Immerhin, aber der Moment war ganz schön schnell vorbei. Zu schnell!

    In dem Moment wo meine Augen die Aufnahmen prüfen, sehe ich aus dem Augenwinkel ein Geweih auftauchen und traue dabei meinen Augen nicht. Ein Hirsch steht vor mir und uns trennen nicht einmal mehr 10 Meter. Für ein Wildtier ist das verdammt nahe. Interessiert steht er vor mir, atmet hörbar, aber bleibt ruhig. Ich versuche das Gleiche, stelle die Kamera entsprechend ein und drücke lautlos auf den Auslöser. Immer und immer wieder. Der Hirsch kommt noch ein Stückchen näher, so nahe, dass es für mein 600 mm Objektiv schon knapp wird. Jetzt wird es bald mehr als formatfüllend.

    Eines ist für mich jetzt schon klar, ich bin in diesem Moment wahrlich kein Störer. Kein Typ, der Tiere aufscheucht oder ihnen nachstellt. Ich sitze einfach nur friedlich da und beobachte die Szene. Gleichzeitig zeigt mir der Hirsch seine Neugier und Minuten später spaziert er einfach weiter seines Weges. Ruhig und gelassen, nicht im Lauf. Ohne Hektik. Er geht einfach weiter und ich habe die bis Dato besten Bilder aller Zeiten bekommen. Ein Moment den ich lange nicht vergessen werde.

  • Der Forstenrieder Park, ein zu Hause für Rotwild und Damwild

    Der Forstenrieder Park, ein zu Hause für Rotwild und Damwild

    Ja, ich weiß. Ich muss mich etwas bremsen, ich darf nicht zu euphorisch werden. Denn wo immer große Freude entsteht, kommt bestimmt bald der erste Dämpfer ums Eck. Und auch bei großen Liebesgeschichten werden gerne die kleinen oder größeren Probleme außen vor gelassen. Wir alle kennen sie, die berühmte rosarote Brille. Doch keine Angst, die habe ich längst abgelegt. Wir alle kennen die Probleme unserer Umwelt. Allzu romantisch will ich deswegen auch gar nicht werden. Denn einerseits soll mein Text eine Liebeserklärung sein und andererseits wächst auch zusehends meine Alarmbereitschaft. Wald zu erhalten, das lerne ich mehr und mehr, ist eine große Herausforderung.

    In unmittelbarer Umgebung habe ich zwei Wälder. Da wäre zum einen der Perlacher Forst und auf der anderen Isarseite der Forstenrieder Park. Ich mag den Perlacher Forst, doch die Zerstörung durch Stürme und die im Vergleich zum Forstenrieder Park doch eher jungen Bäume lassen mich stets neidisch über die Isar blicken. Ich verbringe also einen großen Teil meiner fotografischen Aktivitäten im Forstenrieder Park.

    Es war bzw. ist auch eher eine Liebe auf den zweiten Blick. Ich wohne über zwei Jahrzehnte in München und kannte den Wald natürlich. Die ersten Jahre war es aber einfach nur ein Wald ohne besondere Bedeutung für mich. Es war noch die Zeit, wo es mich als jungen Kerl in die Stadt zog, da wo sich das Leben abspielt. Es war aber auch die Zeit, wo der Gärtnerplatz noch keine Rolle gespielt hat. Doch es gab andere Orte, wo junge Menschen gerne waren. Dort wo Trubel herrscht. Jetzt, mit knapp vierzig wandelt sich das gerade enorm. Ich suche mehr und mehr die Ruhe in den Wäldern. Ganz so, wie ich als Junge vom Dorf meine Kindheit und Jugend verbracht habe. Zu dieser Zeit war Wald ein Selbstverständnis, nichts besonderes. Er war halt da. Und Umweltschutz? Kein Thema. Da wurden Waldwege noch mit alten Ziegelsteinen verfüllt, die Gartenabfälle im Gehölz entsorgt und irgendwie tat das jede(r) und niemanden hat es gestört. Heute undenkbar, damals schon ein Unding.

    Viele Jahre später ist es dramatisch anders geworden. Wir werden täglich mit Wörtern wie Klimawandel, Umweltschutz aber vor allem auch mit Themen wie Zerstörung konfrontiert. Für mich sind die Themen oft etwas zu abstrakt, wichtig, keine Frage. Aber manchmal zu weit weg. Wir propagieren 1,5-Grad-Ziele, gleichzeitig ist es uns aber scheinbar unmöglich, die Natur vor der eigenen Haustüre sauber zu halten. Dazu kommt, dass unsere Gesellschaft immer schnelllebiger wird, jedoch der Wunsch nach Rückzug und Erholung steigt. Mit all dem werden unsere Wälder konfrontiert. Denn Erholung muss ja irgendwo stattfinden. Und inmitten dessen geht es noch um die Tiere, die darin leben oder leben müssen. Der Wald wird für sie zum einzigen Rückzugsort, denn der Lebensraum außerhalb wird immer kleiner.

    Der Forstenrieder Park ist so besonders, da dort über Jahrzehnte ein Bestand an Rot- und Damwild gepflegt wird. Der Park ist aber vor allem für die Horden von Schwarzwild, also Wildschweinen, bekannt. Doch wer einmal einen Rothirsch gesehen hat, den lässt der Anblick nicht mehr los. Besonders zur Brunft. Letzten Herbst bin ich besonders häufig die Wege entlang spaziert oder mit dem Rad entlang gefahren. Dazwischen bin ich immer mal wieder stehen geblieben, denn das Röhren der Hirsche klang atemberaubend!

    Am frühen Morgen, wenn der Nebel noch durch die Bäume zieht, es ansonsten still ist, sich weit und breit keine Besucher*innen befinden, dann wartet der Wald alles auf. Dann kann die Natur in seiner ganzen Gewalt erlebt werden. Nur um das Ganze richtig einzuordnen – ich erzähle euch hier von einem Waldgebiet am Stadtrand. Gerade deswegen haben die Erlebnisse dort für mich einen noch größeren Wert. In den Bergen und weg von der Zivilisation ist die Erfahrung vielleicht noch intensiver. Aber wie viele Städte haben ein solches Erlebnis wie hier in München zu bieten?

    Wo sonst kann Schwarzwild am Wegesrand erlebt werden, während Dam- und Rotwild auch mal über Wege spazieren. Gleichzeitig radeln Besucher*innen, hinten auf dem Gepäckträger die Bürotasche aufgespannt, über die Wege. Kein schlechtes Erlebnis zum Feierabend oder?

    Ich sehe viele Menschen, die dann einfach stehen bleiben, ihr Rad abstellen, sich auf eine Bank setzen und einfach nur der Natur lauschen. So ist es richtig. Der Forstenrieder Park ist ein ganz besonderes Habitat. Dies zu erhalten bleibt eine große Herausforderung. Wir alle sind gefordert, zum Erhalt beizutragen. Auf der einen Seite stehen vor allem die bayerischen Staatsforsten in der Verantwortung und auf der anderen Seite wir Besucherinnen und Besucher.

    Wirtschaftliche Interessen werden natürlich nach wie vor abgewogen werden müssen, denn Wald ist in Deutschland auch Lebensunterhalt und wird Erträge bringen müssen. Die Illusion von gänzlich unberührter Natur mache ich mir gar nicht. Aber es muss ungestörten Raum für Tiere geben und wirtschaftliche Interessen dürfen nicht überwiegen. Nicht zuletzt wurden dafür in der Vergangenheit auch zwei Wildruhezonen eingerichtet, in denen auch der Jagdbetrieb ruht. Ich will ehrlich sein, außerhalb der Wildruhezonen frustriert mich unheimlich, wenn ich die großen, in den Wald hinein geschnittenen Schneisen sehe. Irgendwie müssen natürlich die Bäume herausgeholt werden. Aber da bin ich Laie und will damit nur meine Beobachtung anmerken.

    Der Park wird nie sich selbst überlassen werden, Bäume werden stets ein Wirtschaftsfaktor bleiben und der Konflikt von Mensch und Tier bleibt allgegenwärtig. Wichtig ist, dass die handelnden Personen die richtigen Interessen vertreten. Hier müssen wir alle zusammenarbeiten, dass der Wald seine Besonderheit nicht verliert. Dazu zählt im Kleinen den Müll zu Hause zu lassen und das Betreten des Waldes abseits von Wegen so gut es geht zu vermeiden.

    Und auf der anderen Seite appelliere ich an die Staatsforsten, die alleinige Schuld für Verbissschäden nicht den Tieren zu geben. Jäger und Jägerinnen kennen ihre Verantwortung, besonders sorgsam mit dem Leben im Wald umzugehen und es zu erhalten. Wir Fotograf*innen müssen auf der anderen Seite den Wald so präsentieren, wie er ist. Nichts beschönigen, die großartige Natur zeigen, aber die Bilder mehr in den richtigen Kontext setzen. Auch wir können zum Erhalt beitragen, selbst wenn unsere Rolle nur in der Öffentlichkeitsarbeit liegt. Aber wir müssen Verantwortung übernehmen und dürfen nicht weiter nur im Verborgenen leben.

    Ihr seht also schon, die Liebe hängt am seidenen Faden. Nichts ist selbstverständlich und nichts kommt von ungefähr. Für den Erhalt muss weiter viel getan werden, damit der Schatz vor unserer Haustür erhalten bleibt. Bitte helft alle mit!